 Pentatonix
PTX - Vol. IV - Classics

Line-Up:
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Avi Kaplan
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Bass
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Kevin Olusola
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Beatboxing
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Kirstin Maldonado
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Mezzosopran
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Mitch Grassi
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Countertenor
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Scott Hoying
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Bariton
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Ein Review über die Scheibe einer A Capella Gruppe auf Sarkophag Rocks – ja, das passt schon, denn wir beißen uns nicht an Rock & Metal Alben fest und ignorieren den Rest aller Veröffentlichungen komplett. Da würde man viel zu viel verpassen – daher: Schubladendenken ade! Zudem: jeder Song, der uns fesseln kann, rockt unser Leben!
In Sachen A Capella gab und gibt viele gute Vertreter, von den deutschen dürften die Wise Guys die bekanntesten im Bereich der reinen Stimmakrobatik sein. Auch Bands wie Die Prinzen und Van Canto zählen dazu, setzen aber zusätzlich Drumbeats bzw. einen Schlagzeuger ein. Meine Leidenschaft für A Capella Gesang begann allerdings schon anno Tobak mit Only You von den Flying Pickets und ihr Album Lost Boys landete umgehend in meiner Sammlung. Ich war begeistert, was man alles nur mit den Stimmen und ohne Instrumente kreieren konnte und diese Faszination hält bis heute an.
In Deutschland hat dieses Genre meiner Meinung nach nicht den Stellenwert, den es haben sollte. Wir suchen den Superstar und das Supertalent, The Voice Of Germany bei Erwachsenen und Kindern, Bands werden zusammengecastet... und wenn man beobachtet, was aus all den Gewinnern dieser Sendungen wurde, endet die Sucherei mehrheitlich wenig erfolgreich. In Amerika läuft das etwas anders und vor allem auch breiter gefächert. So gibt es bei NBC die Show „The Sing-Off“, in der nur A Capella Gruppen um den Sieg singen. Die dritte Staffel in 2011 gewann ein Quintett namens Pentatonix. Sie gewannen Geld, einen Plattenvertrag... und sie nutzten ihre Chance. Sechs Jahre später besteht die Band immer noch in der Originalbesetzung, die Verkaufszahlen ihrer CDs brachten ihnen Gold bis Doppel-Platin ein, drei Grammy Awards wurden ihnen verliehen, sie haben Millionen Follower in den sozialen Netzwerken und unglaubliche Klickzahlen bei YouTube... und das alles als A Capella Gruppe! Auch der Nachwuchs dieser Musikrichtung wird in Amerika optimal gefördert und unterstützt, z. B. in der A Cappella Academy. Klingt für unsere hiesigen Verhältnisse hinsichtlich dieser Stilrichtung alles utopisch, oder?
Pentatonix sind: Avi Kaplan (Bass), Kevin Olusola (Beatboxing), Kirstin Maldonado (Mezzosopran), Mitch Grassi (Countertenor) und Scott Hoying (Bariton). Die Zusammenstellung der Stimmen und was sie draus machen, ist einzigartig und fesselnd, eine neue moderne Liga der gesanglichen Kreativität und des Jonglierens mit Noten. Ihre Weihnachtsalben sind immer ein Träumchen und ich lauere jedes Jahr auf Nachschub. Auf ihren normalen EPs/Alben covern sie mehrheitlich, haben aber auch einige eigene Originale mit drauf, mit denen sie ebenfalls überzeugen können. Ich bin ehrlich, es gibt Lieder auf diesen Tonträgern, die mir nicht liegen, weder vom eigentlichen Interpreten noch als PTX Cover. Wie bei allen Bands/SängerInnen bleibt meine Kritikfähigkeit erhalten, ich lasse meine Ohren entscheiden und winke nicht automatisch alles durch.
Auf der am 07.04.2017 via RCA Records erschienenen EP PTX Vol. IV – Classics widmen sich Pentatonix, wie am Titel erkennbar, einigen Klassikern der Musikgeschichte. Sieben Songs gibt es zu hören, mit einer Gesamtlaufzeit von knapp 25 Minuten, sehr ordentliche Befüllung für das Format EP. Ben Bram war wieder mit an Bord, arrangierte und produzierte zusammen mit der Band die meisten der Tracks.
Kurze Stücke von Boogie Woogie Bugle Boy und Bohemian Rhapsody waren 2013 in diesem Video bereits Bestandteil des Medleys Evolution Of Music. Solltet ihr euch unbedingt mal anhören – ganz großes Kino! Von diesen Couch-Clips gibt es viele, ohne großes Brimborium, ohne Mega-Styling oder Choreographie, einfach hinsetzen und losträllern. Das war so pur, geradeheraus und natürlich, der Fokus voll auf der Musik - ich liebe diese Videos und vermisse diese Highlights heutzutage. Zurück zum Medley: ich fragte mich damals, ob Bohemian Rhapsody komplett machbar wäre bzw. Rocksongs generell, wenn Bass und Beatboxer zur Genüge beschäftigt sind, aber die Gitarrenparts auch noch umzusetzen sind. Von daher brachte die Tracklist dieser EP natürlich die Erfüllung eines Wunsches.
Ich vergleiche übrigens A Capella Versionen nie 1:1 mit dem Original, fände ich unfair, da bei letzterem jede Menge mehr verwendet wurde als nur Stimmen. Diese Cover haben eine andere spezielle Dimension für mich, ich bewerte die kreative Umsetzung, den gesanglichen Einsatz und den des Rhythmus-Duos sowie das, was das Komplettpaket bei mir auslöst.
Dolly Partons Jolene kannte man in der PTX Fassung bereits. Den Country-Song aus 1974 wandelte man gemeinsam mit Dolly in eine modernere Variante um, ohne dass dabei die Grundstimmung flöten ging. Das Arrangement setzt die Gesangsparts top in Szene, die mehrstimmigen Harmonien sind klasse eingebaut. Die Leadstimme liegt mehrheitlich bei Dolly und im schmissigen Mittelteil übernehmen Kirstin, Mitch und Scott. Avi wechselt immer wieder zwischen Gesang und Bass-Rhythmus. Kevins Beatboxing klingt anfangs nach galoppierendem Pferd und gemeinsam mit Avi liefert er zusätzlich noch einen geklatschten Rhythmus-Groove. Das Endergebnis war den Fachleuten einen Grammy wert.
Zwei Tracks sind langsame, ruhige, gefühlvolle Nummern, bei denen sich alle fünf ausschließlich auf ihre gesanglichen Qualitäten konzentrieren können. Wunderschön im Gänsehautmodus wird Can't Help Falling In Love (Elvis Presley, 1961) durchgehend mehrstimmig kredenzt. In der sehr emotionalen Ballade setzt Mitch kleine Highlights. Wenn er die Tonleiter nach oben wandert... einfach zum Niederknien. Bei Over The Rainbow aus „Der Zauberer von Oz“, im Original 1939 von Judy Garland gesungen, sind wieder alle gemeinsam am Werkeln. Kirstin sticht hier heraus und punktet, wobei ich auch Avis Einsatz arg interessant finde. Außer der berührenden Atmosphäre gefallen mir vor allem die tollen Harmonien.
Take On Me brachte 1985 den Norwegern von A-Ha den Durchbruch. Pentatonix hauchen dem Song schwungvoll neues Leben ein, der Spaßfaktor von damals knallt wieder aus den Boxen. Wir haben seinerzeit wie bekloppt versucht, diesen gewissen hohen Ton von Morten Harket zu treffen und sind glorreich gescheitert. Daher bringt der locker rausgehauene hohe Ton samt der genialen Aufteilung, Scotts Soloteil und dem wirklich heißen Beat von Avi und Kevin diesem Track in meinem Ranking Platz 4 ein.
Anspieltipps:
Bohemian Rhapsody – von Queen (1975) ist ein Song für die Ewigkeit und sein Aufbau, der Bombast, der Gesang von Freddie Mercury und die Gitarre von Brian May veränderten irgendwie die Rockmusik. Ich war so gespannt auf die Pentatonix Version und sie hat mich total geflasht! Ja, A Capella kann Gitarren und wie :-) Knapp sechs Minuten Genuss pur, ganz ohne Instrumente, ohne Orchester, ohne Chor... nur fünf Stimmen, die auf ganz hohem Level fantasievoll loslegen und auf ihre Art rocken. Ich liebe den absolut genialen Mittelteil ab „I see a little silhouetto of a man...” und der ist auch in diesem Cover das Highlight. Zudem Mitchs Ausflüge in die Höhen des Songs, die von Avi in die Tiefe, Mitchs Gitarre, das brillante Rhythmus-Duo, die Aufteilung der Parts... Macht euch einfach selbst ein Bild in diesem Video! Für dieses Hammer-Teil bekämen sie von mir sofort den nächsten Grammy!
Imagine – von John Lennon (1971) hat einen Text, der gerade heutzutage wieder ins Gedächtnis gerufen werden sollte. Pentatonix sind es angegangen und das gleich doppelt. Sie singen alle fünf und zumindest ich hatte mega-dicke Gänsehaut. Im dazugehörigen Videoclip unterstreichen sie das ernste Thema nochmals durch verschiedene Schrifttafeln, mit denen gerade diese fünf jungen Menschen sich identifizieren können. Wer nicht versteht, was ich meine, muss sich den Clip anschauen.
Boogie Woogie Bugle Boy – beamt uns am Anfang und mittendrin im Stil einer knisternden Schellack-Platte bei einer Radioübertragung auch soundtechnisch mal kurz zurück nach 1941. Die drei Andrew Sisters heißen nun Kirstin, Mitch und Scott – fabelhaft umgesetzt. Die Rhythmus-Fraktion rockt das Ding in Hochform, Sonderpunkte für Avis Bass und die Trompete des jungen Mannes, um den sich der Song dreht, wurde ebenfalls nicht vergessen. Da boogie-woogiet man sofort mit, heißes Geschoss!
Alle sieben Songs überzeugen und fesseln, mal berühren sie tief, mal bringen sie Spaß in die Hütte. Die ideenreichen Arrangements und die gesangliche Umsetzung muss man sich mehrfach anhören, um keine der kleinen Raffinessen zu verpassen und der besonderen Notenakrobatik jedes einzelnen PTX Mitglieds in Ruhe folgen zu können. Merci für's Lesen... aaand: don't forget to buy. ;-)
Ein Volltreffer - dafür gibt es von mir ein dickes Dankeschön, verbunden mit arg begeisterten>
Bewertung:
       7 von 7 Ankhs
 plus Skarabäus
Marion Ney / Sarkophag Rocks 08.04.2017
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